Schwandorf. Johann Böhm war bei der Vertreibung aus seiner tschechischen Heimat acht Jahre alt. Er zog mit seiner Familie nach Unterfranken, fand in der CSU seine politische Heimat, gehörte fast 30 Jahre dem bayerischen Landtag an und war von 1994 bis 2003 dessen Präsident. Bei der Jubiläumsfeier „60 Jahre Patenstadt Schwandorf – Falkenau" und „33. Bundestreffen des Heimatverbandes der Falkenauer" hielt er am Samstag im Konrad-Max-Kunz-Saal die Festrede. 

Das Argument von Ursache und Wirkung lässt Johann Böhm nicht gelten. Für den heute 81-jährigen war die Vertreibung der Deutschen aus ihrer angestammten Heimat trotz des von Hitler angezettelten Krieges „nicht zwingend notwendig". Die Tschechen hätten auch nach der biblischen Botschaft „Wenn dir jemand auf die eine Backe schlägt, halt ihm auch die andere hin" verfahren können.

Die Vertriebenen erwarten von der Gegenseite zumindest eine Geste des Bedauerns. Eine Erinnerungstafel in der Stadt Sokolov oder der Zusatz „früher Falkenau" an den Ortsschildern wären für Johann Böhm Zeichen der Erinnerung. Er appellierte deshalb an den Schwandorfer Oberbürgermeister, sich in der tschechischen Partnerstadt für derartige Signale stark zu machen. Andreas Feller zeigte Verständnis für die Erinnerungskultur der Vertriebenen, stellte aber gleichzeitig fest: „Die Falkenauer haben ihren Weg in eine bessere Zukunft gefunden". Mit seiner grenzübergreifenden Arbeit leiste der Heimatverband einen wichtigen Beitrag zur gegenseitigen Verständigung und sei ein „Brückenbauer" in der städtepartnerschaftlichen Beziehung Schwandorf-Sokolov.



Für den bayerischen Heimatminister Albert Füracker sind die Vertriebenen „ein Vorbild an Lebensmut und gesellschaftlichem Engagement". 30 Jahre nach der Grenzöffnung wachse der gemeinsame Kulturraum Bayern-Böhmen wieder zusammen. Der Minister ermunterte die Falkenauer, sich in diesen Prozess mit einzubringen und dabei die Erinnerung an die Geschichte wachzuhalten. Für den Landkreis gratulierte Landrat Thomas Ebeling zum Jubiläum.


Dem Festakt ging die Hauptversammlung des Heimatverbandes voraus. Dabei wurde Vorsitzender Gerd Hampl im Amt bestätigt. Er sieht in der Vertreibung von 40 000 Deutschen aus der Region Falkenau „eine ethnische Säuberung". Für eine Verständigung sei der gute Wille auf beiden Seiten erforderlich. In Sokolov erinnere eine Tafel zwar an die Befreiung des Landes durch die Amerikaner, es fehle aber jeglicher Hinweis des Bedauerns über die Vertreibung der Deutschen.

Im November will der Vorstand entscheiden, wie es mit dem Heimatverband weitergehen soll. „Einen Festakt wie diesen wird es definitiv nicht mehr geben", versicherte Gerd Hampl mit dem Hinweis auf den schwachen Besuch. Das Bundestreffen will der Vorsitzende allerdings beibehalten. Zumindest bis 2022, denn dann feiert der Heimatverband sein 60-jähriges Bestehen. Der Verein gründete sich nämlich erst drei Jahre nach der Unterzeichnung der Patenschaftsurkunde durch die damaligen Bürgermeister Dr. Josef Pichl (Schwandorf) und Dr. Hermann Bekker (Sokolov) am 13. September 1959. Am 17. April 2000 unterschrieben deren Nachfolger Hans Kraus (Schwandorf) und Dr. Karel Cernik (Sokolov) dann einen Partnerschaftsvertrag und legten den Grundstein für eine Beziehung, die heute als beispielhaft gilt für den bayerisch-böhmischen Kulturraum.

Wilhelm Dörfler ist 1935 in Pürgles im Kreis Falkenau geboren und in einem Dorf bei Gossengrün aufgewachsen. Nach dem Krieg wurde die Familie ins Landesinnere verschleppt und kam auf Umwegen 1949 zu Verwandten nach Schwandorf. Der Jugendliche bekam eine Stelle bei der Eisenbahn und arbeitete im Signaldienst. Heute betreut Wilhelm Dörfler die Falkenauer Heimatstube. Aus dem Fundus von Bildern, Karten und Dokumenten gestaltete er eine Ausstellung, die er beim 33. Bundestreffen in der Oberpfalzhalle zeigte. Auf 18 Schautafeln werden die Geschichte der Falkenauer vor und nach dem Krieg und die 60-jährige Patenschaft der Städte Schwandorf und Falkenau an der Eger dokumentiert.