Auf Beizjagd an der Naab

Steinadler Ade verlässt mit wuchtigen Flügelschlägen die Faust seines Falkners. Steil steigt er in den wolkenlosen Himmel. Es ist ein sehr warmer Oktobernachmittag bei Schwarzenfeld, die späte Sonne hat ungewöhnlich viel Kraft. 15 Augenpaare richten sich gen Himmel, während der Falkner mit seiner Pfeife anzeigt: Adler in der Luft. Kein weiterer Greif darf jetzt aufsteigen. Ade hat sein Ziel im Visier. Der Hase galoppiert über das freie Rübenfeld.

Im eleganten Sturzflug – die mächtigen Schwingen eng am Körper, mit beinahe 200 Stundenkilometern im steilen Winkel abwärts - berechnet der erfahrene Steinadler Laufrichtung und Geschwindigkeit seiner Beute. Die Baumgrenze ist viel zu weit entfernt – wenn der Hase im entscheidenden Moment keinen Haken schlägt, ist er verloren. Ade breitet die Schwingen, bremst, streckt die mächtigen Krallen voraus- und hat den Feldhasen am Wickel. Nur neun Sekunden später hat der Falkner aus Passau das Tier waidgerecht erlegt. Ade steht nun neben ihm im Gras und sieht interessiert zu. Der Hase ist ein ganz schönes Kaliber – sieben Pfund, schätzt der Jäger. In etwa so viel, wie Ade selbst auf die Waage bringt.

Der Aufbruch steht dem Adler zu. Länger muss die Uschi auf ihre Belohnung warten. Dabei hat der große Münsterländer den Jagderfolg erst möglich gemacht. Sie hat den Hasen aus seinem Versteck aufgestöbert – ohne Gebell oder Versuch, das Tier selbst zu erwischen. Einfach, indem sie sich der Mulde im Feld zielstrebig genähert hat und ausharrte, bis der Hase aus der Deckung schoss, wohl wissend, dass Ade dann den Rest erledigt. Dieses Verhalten nennt der Jäger „vorstehen“, der Jäger muss es mit dem Hund trainieren. Uschi ist ein parademäßiger Vorsteh-Hund.

Am Ende des Tages werden es acht Hasen sein, die den zehn Falknern der Falknergruppe Regensburg im Beisein ihrer Gäste als Strecke nach einem anstrengenden Jagd-Tag an der Naab im Bereich der Schwarzenfelder Kläranlage bleiben. Das nächste Dorf ist sehr nah - hier eignet sich die Beizjagd viel besser als die klassiche Jagd mit Schusswaffe. Neben drei prächtigen Steinadlern sind der Habicht Zenzi von Gunther Stangl aus Nittenau und ein schneeweißer Harris Hawk am Werk, dessen Falkner aus Nürnberg angereist ist ins Revier von Thorsten Graf. Der teilt fachkundig die Jäger in Gruppen ein, ahnt, wo sich Beute aufhalten könnte.

Oktober und November sind die Monate für die klassische Beizjagd, wie Falknermeister Karl Schott, der Chef der Regensburger, erklärt. Eine sehr naturnahe und alte Form der Jagd. Rund sechs Wochen dauert es, bis ein Falkner einen jungen Greifvogel so trainiert hat, dass der jagen kann. Kontinuität ist dabei wichtig, sagt der Falkner aus Passau und streichelt seinem Ade das Gefieder. Und: auch hinterher braucht es regelmäßige Trainingseinheiten, damit der Vogel das Beizen nicht verlernt. Eine Aufgabe des Falkners ist es, bei seinem Vogel das richtige Jagdgewicht einzustellen. Steht der Vogel zu gut im Futter, mag er nicht mehr jagen – er ist, wie beleibte Menschen auch, einfach zu träge.

Wie um diesen Lehrsatz zu untermauern, zeigt Gunther Stangls Zenzi an diesem Tag wenig Eifer, sich in die Lüfte zu erheben. Es ist aber auch warm heute. Würde sie einen Hasen schlagen, könnte sie ihn nur gerade mal so am Boden halten – Meister Lampe wiegt ungefähr das Doppelte und hat ganz schöne Kräfte in den Beinen. Dann ist es für den Falkner doppelt wichtig, schnell bei seinem Vogel zu sein – einerseits, um das Beutetier nicht lange dem Stress des Gefangenseins auszusetzen, andererseits, um dem Habicht die Mühe des Haltens zu erleichtern. Habichte werden daher in erster Linie zur Jagd auf Rebhühner oder Fasane eingesetzt.

Die Falknerei gibt es in Mitteleuropa mindestens seit der Völkerwanderungszeit. Im Mittelalter war sie als hohe ritterliche Tugend den Edelleuten vorbehalten. Wer sich dieser Form der Jagd heute verschreiben möchte, braucht neben dem natürlichen Draht und der Liebe zu den Tieren eine Jäger- und eine eigene Falknerprüfung. Die Regensburger Gruppe setzt sich aus Falknern aus ganz Bayern zusammen, die sich in diesen Wochen an den verschiedensten Stellen treffen, um Hasen und Vögel zu jagen.

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Ade schaut seinen Herrn derweil weiterhin erwartungsvoll an. Es ist der dritte Hase, den er heute geschlagen hat. Der Aufbruch ist schon längst spurlos verschwunden. Der Falkner aus Passau versteht diesen Blick. Er trennt dem Hasen, der schon in seiner Jagdtasche verstaut ist, mit einem scharfen Messer den Kopf ab und legt ihn vor Ade ins Gras. Der macht sich genüßlich drüber her – auch über den Knochen. Das sei gut für den Schnabel, erklärt der Passauer. Er geht der Falknerei seit 40 Jahren nach, sein Vater hat ihm einst alles beigebracht, was er wissen musste, sagt er. Der Schädelknochen knirscht – nichts für schwache Nerven.

Für Ade ist die Jagd heute vorbei. So vollgekröpft wie er jetzt ist, verspürt auch ein Vollprofi wie er keine Lust mehr, sich in die Lüfte zu erheben. Die Jäger bilden wieder eine Kette, ziehen weiter übers Feld. Die Vorstehhunde stöbern im Dickicht. Der nächste Hund bleibt stehen, hebt die Rute. Ein Hase flitzt los, ein alter, erfahrener Kerl, wie man sofort sieht. Ein Steinadler ist in der Luft, alle anderen Vögel bleiben fest – die Greife würden gegeneinander um die Beute kämpfen, ließe man einen weiteren los.

Meister Lampe schlägt nicht viele Haken. Als gewiefter Flur- und Waldbewohner weiß er, was zu tun ist, wenn der Greif am Himmel steht. Er schwenkt direkt zum bewaldeten Ufersaum der Naab. Der Adler bricht seinen Sturzflug ab – unter die Äste der Bäume kann er nicht „abtauchen“. Missmutig schaut der Steinadler drein, als er sich gut zehn Meter von den Bäumen entfernt in die Wiese niederlässt. Sein Falkner spricht ihm gut zu, als er ihn mit dem gefütterten Handschuh wieder abholt. Es ist halt doch noch kein Meister vom Himmel gefallen.

„Schwarz geputzt“
Die Stadt als großes Gesamtprojekt