Der jüdische Friedhof von Cham ist verschlossen, wer keinen Schlüssel hat, kann ihn nicht betreten. Die Führungen von Stadtarchivar Timo Bullemer, die er gemeinsam mit der Katholischen Erwachsenenbildung anbietet, ermöglichen es aber auch der Öffentlichkeit, dieses Stück Chamer Geschichte zu betreten.

Der Friedhof wurde 1889 von der jüdischen Gemeinde angelegt, deren Geschichte im Landkreis Cham aber viel weiter zurückgeht. Die Tradition der hiesigen jüdischen Gemeinde geht bis ins Mittelalter zurück. Immer wieder gab es Vertreibungen und Ausweisungen, keine Gemeinde konnte sich lange halten. Im 16. Jahrhundert erfolgte dann eine große Vertreibung. Daran erinnert ein jüdischer Grabstein aus Regensburg, der an der westlichen Fassade des Chamer Rathaus angebracht ist.

Über 300 Jahre später, als sich die Gesetze geändert hatten, ließ sich 1863 wieder eine jüdische Familie in Cham nieder. Auch aus Böhmen und Tschechien zogen Familien zu. Im Jahr 1886 bildete sich dann wieder eine jüdische Gemeinde, deren erstes Projekt der Friedhof war. Beim Chamer Friedhof handelt es sich nicht um einen typischen Friedhof, denn er liegt außerhalb der Stadt. Es war wohl damals nicht einfach, ein Grundstück zu erwerben. Der heutige Friedhof nimmt nur ein Drittel des Areals ein, das damals gekauft wurde. Der Anteil der Juden an der Chamer Bevölkerung war immer sehr gering, die Höchstzahl waren 120 Personen im Landkreis.

Timo Bullemer erzählt die Geschichten zu den Grabsteinen, hier von Janek Wechsberg


Im Jahr 1938 musste sich die Gemeinde auflösen, der Friedhof wurde an die Stadt verkauft. 1945 wurde er durch Überlebende der Konzentrationslager neubegründet. Zu dieser Zeit gab es bis zu 280 Juden im Landkreis, die dort auch teilweise sesshaft wurden.  Um selbst eine jüdische Gemeinde zu gründen, müssen mindestens zehn erwachsene, jüdische Männer Mitglied sein. Aus diesem Grund ist die ehemalige Chamer Gemeinde jetzt der Jüdischen Gemeinde in Amberg angegliedert.
 Im Chamer Friedhof findet sich ein Bereich für Kindergräber, der von der hohen Kindersterblichkeit zeugt. Auch sind alle Gräber nach Osten ausgerichtet, nach Jerusalem. Generell wird ein Jude in einer einfachen Holzkiste begraben, in ein Leichentuch gehüllt. Manchmal wird ihm auch ein Säckchen Sand aus dem Heiligen Land unter den Kopf gelegt. Die Juden bezeichnen den Friedhof auch als „Garten des Lebens“, „Haus der Gräber“ und „Haus der Ewigkeit“.

Das erste und älteste Grab am Friedhof.

Grabstellen werden im Normalfall nicht aufgelöst, ein Grab soll ewig bestehen. Familiengräber gibt es nicht. Nur manchmal werden Ehegatten nebeneinander gebettet aber auch hier wird ein Sicherheitsabstand eingehalten. Die Totenruhe darf nicht gestört werden, deswegen findet man kaum Pflanzen oder Blumen auf den Gräbern. Nach dem Besuch des Grabes und dem Gebet ist es üblich, einen Stein auf das Grab zu legen.

Eigentlich gehört auch ein Leichenhaus zum Friedhof. Dieses stand früher in der Stadt, ganz am Rand es städtischen Friedhofes, vermutlich wurde dieser Standort wegen der Wasserversorgung gewählt. So zog sich immer ein langer Leichenzug vom Leichenhaus hinaus zum jüdischen Friedhof. Als der städtische Friedhof erweitert wurde, befand sich das jüdische Leichenhaus plötzlich mitten im Friedhof. Ende der 1970er Jahre wurde es abgerissen und nun wird das städtische Leichenhaus verwendet.

Es gibt im jüdischen Friedhof auch Leichentafeln, die an verstorbene Familienmitglieder in der Ferne und jüdische Kriegsteilnehmer im 1. Weltkrieg erinnern. Der älteste und erste Grabstein des Friedhofes stammt aus dem Jahr 1890. Zu dieser Zeit war die Beschriftung größtenteils in Hebräisch gehalten, was sich nach und nach änderte: Die lateinische Schrift und die christlichen Jahreszahlen kamen hinzu. Erst nach dem 2. Weltkrieg nahm die hebräische Beschriftung der Gräber wieder zu.

Segnende Hände auf dem Grabstein weisen darauf hin, dass der Verstorbene aus einer Priesterfamilie stammt.

Nach der Befreiung der Konzentrationslager und den Todesmärschen wurden Lazarette in Cham errichtet -  aber viele Befreite starben wenige Tage nach der Befreiung, obwohl sie das KZ überlebt hatten. Gräber, die nur einen Davidstern tragen, bezeichnen Gräber von Opfern, von denen man damals nichts wusste. Es gab zu dieser Zeit auch einen eigenen KZ-Friedhof in Cham mit 446 Gräbern, diese wurden jedoch 1957 in den Ehrenfriedhof nach Flossenbürg überführt.

Ein Grab auf dem jüdischen Friedhof bei Cham ist das von Janek Wechsberg, einem KZ-Überlebenden. Er brach 1946 zu einer Reise auf und war daraufhin verschwunden. Ein halbes Jahr später wurde er unter einem Steinhaufen gefunden, man ging damals von einem Raubmord aus. Dern Mörder wurde aber nie gefunden. Dies ist nur eine Geschichte, die Timo Bullemer bei seiner Führung erzählt.