Bewegende Worte eines Zeitzeugen

Geschichtsbücher belegen die nüchterne Historie. Ein Gesicht bekommen sie durch die Schilderung von Zeitzeugen. Schicksale Einzelner werden deutlich, aber auch die von Volksgruppen. Ernst Grube, Jahrgang 1932, ist so ein Zeitzeuge, der die Geschichte seiner Familie in der Zeit des Nationalsozialismus vor den Schülern des RTGs erzählte. Kein reiner Vortrag, denn vom Angebot des Referenten, Fragen zwischendurch zu stellen, machten sie Gebrauch.

Die Mutter stammte aus einer jüdischen Familie in Hessen, der Vater, ein Nichtjude, sei kommunistisch orientiert gewesen. Ernst Grube lebte in München-Schwabing, mit den Eltern und seinem drei Jahre älteren Bruder und einer sechs Jahre jüngeren Schwester, als sich nach der Machtergreifung der Nazis das Leben sukzessive änderte. Ausgrenzungen gegen die Juden und Minderheiten wie Sinti und Roma sowie Behinderte folgten. Grube zeigte auf dem Overheadprojektor Bilder. Eins zeigte die Synagoge in der Innenstadt, die zunehmend nicht nur ein Bethaus war, sondern auch so etwas wie ein Zufluchtsort für die jüdische Gemeinschaft. Das habe den Nazis nicht gepasst, und so haben sie die Synagoge zerstört. Zugleich seien die Häuser nebenan, in denen sie gewohnt hatten, ihnen weggenommen worden.

In der Reichsprogromnacht seien die Juden aktiv vertrieben und in die Konzentrationslager gebracht worden. „Die Enteignung und Verbreitung hat unsere Eltern vor Probleme gestellt. Der Vater hat sich zunächst geweigert auszuziehen. Dann wurden Wasser und Gas gesperrt“, schilderte der Referent die Schikanen. Einen Tag vor der Reichsprogromnacht sei er ins Kinderheim in München-Schwabing gekommen. Über 40 Kinder lebten hier. Drei Jahre lang habe er hier seine Kindheit verbracht, getrennt von der Familie. Außerhalb des Heimes habe er die Ablehnung von anderen Kindern erfahren, mit Beschimpfungen und Anspucken. Der Druck auf die Juden sei verstärkt worden. Jeder von ihnen ab sechs Jahren musste einen Judenstern tragen. „Wer dieses Zeichen trägt, ist ein Feind unseres Volkes“, setzten die Nazis noch eins drauf. Mit dieser Aussage sei keine Nachbarschaftsbindung möglich gewesen. Ab 1941 seien das Mieterschutzgesetz für Juden außer Kraft gesetzt worden. Die Juden, die nicht wussten, wo sie hin sollten, seien ins Lager Milbertshofen bei München gebracht worden.

„Das ist immer noch kein Holocaust, noch kein Morden, Vernichten und Zerstören“, verdeutlichte Ernst Grube die Situation damals. Das Lagerleben, dessen Bilder steigen bei ihm auf, angesichts der Flüchtlinge von heute: die Enge, keine Chance auf Privatsphäre. 46 Kinder im Heim, die Hälfte davon seien abtransportiert worden. Nach dem Krieg habe er erfahren, so der Sprecher, dass sie in einem Gebiet von Litauen, das von den Deutschen besetzt war, umgebracht worden waren, sie nur mehr fünf Tage gelebt hatten. Er selber habe ein Jahr lang im Lager von Milbertshofen verbracht.

Juden durften nach 20 Uhr die Wohnung nicht verlassen, kein Radio, Fahrrad, Haustier haben und nur in bestimmten Geschäften einkaufen. Auf den Lebensmittelmarken waren für sie Fleisch, Milch, Käse und Wurst ausgestrichen, bis auf Brot, ein bisschen Schmalz und Zucker. Es habe Nachbarn gegeben, die sehr nazitreu gewesen seien, aber auch welche, die ihnen geholfen hatten, erinnert sich Grube zurück. Die Lebenssituation sei furchtbar gewesen. Auch die Gedanken, wie es den Verwandten ergangen sei. „Ich weiß, dass sie nicht mehr leben“. Deportiert ins polnische Belzec, hier seien alle Juden umgekommen. „Ich erzähle das nicht zu meinem Vergnügen“ betonte Ernst Grube. Vielmehr möchte er aufzeigen, wohin die Verletzung von Menschenrechten führen muss.

Nach wie vor engagiert er sich, ist Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und Vorsitzender des Kuratoriums bayerischer Gedenkstätten. „Kindheit und Jugend in Krieg und in der Nachkriegszeit“, so lautete die Thematik der diesjährigen Sonderausstellung im Stadtmuseum. Am Abend war Ernst Grube hier zu Gast, um einem breiten Publikum die Zeit damals zu schildern.

 

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