Eisenzeit: Überfall, Fluch und ein toter Führer

Der Mann ist seit 225 Jahren tot und kann sich immer noch aufregen. Und eitel ist er auch noch. Johann Georg Fuhrmann war vor seinem Ableben Oberverweser des Hüttenwerks in Bodenwöhr - wobei der Titel nichts mit dem bedauerlichen Zustand seiner körperlichen Hülle zu tun hat, sondern mit seiner Position als Stellvertreter des Kurfürsten am Ort. Mit dieser Feststellung des aus dem Sammelgrab am alten Friedhof entstiegenen Beamten begann für rund 30 Teilnehmer am Einheitstag ein spannender Trip an den Ufern von Hammer- und Weichselbrunner Weiher entlang durch 700 Jahre Eisenverhüttung.

 

Von der langen Zeit im Grabe war der Herr Oberverweser (Eisenzeit-Intendant Hubert Süß) bereits etwas grün im Gesicht, was das eine oder andere kleinere Kind unter den Gästen schon etwas gruselig fand - anfangs jedenfalls.

Nach dem geschichtlichen Exkurs in die Ära zwischen dem 30-jährigen Krieg und der Amtszeit des legendären Hüttenwerks-Chefs Franz Adam Hofseß bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts war die anfängliche Scheu aber (eigentlich) schon überwunden. Der Oberverweser schlüpfte immer wieder in verschiedene Rollen und suchte sich die Partner für die historische Kaufverhandlung oder die Tändelei mit den kurfürstlichen Mätressen im dankbaren und engagierten Publikum.

Der Hammersee - trotz des derzeitigen Algenbefalls von einmaligem landschaftlichen Reiz im Licht eines schönen Herbsttages - bot die passende Kulisse für weitere Ausflüge in die Zeit der Hammerherren, etwa, als die Gebrüder Arnold das Werk vergrößerten, den Weiher höher aufstauten, den Ortsteil Blechhammer gründeten und nebenbei den Bau der kurfürstlichen Brauerei überwachten. Zu dieser Zeit entwickelte sich Bodenwöhr  zu einem Zentrum anspruchsvollen Eisengusses, das europaweite Bedeutung erlangen sollte. Dazu kam für die Zeit von 1693 bis 1876 der Abbau des „eigenen“ Eisenerzes in der unmittelbaren Umgebung im Untertagebau.

An der Weichselbrunner Brücke ließ der Führer den Hammersee aber plötzlich verschwinden. Statt seiner stellten sich die Gäste eine grüne Wiese mit kleinen Bachläufen und blökenden Schafen vor, die friedlich vor sich hin grasten. Noch. Denn es sollten unruhige Zeiten sein um 1430, in die die Eisenzeit-Wanderer nun eintraten.

Jenseits der Brücke fanden sie den alten Hammer vor, der dort seit 1292 seinen Dienst versah. Für die Anforderungen der Zeit, in der Pfalzgraf Johann gegen die Hussiten kämpfte, waren Hammer und Weichselbrunner Weiher freilich zu klein - ein neuer Hammer würde weit größere Wasserräder und damit mehr Wasserkraft brauchen, wie die damaligen Hammerherren Gilg und Hans Kotz (Richard Stabl und Matthias Lutter), unterstützt von Fabian Schmid, im Spiel anschaulich verdeutlichten.

Ein Hussiten-Trupp (u.a. Franz Singerer) zerstörte den Hammer schließlich.

Hammermeister Kotz überlebte den Überfall knapp und übernahm anschließlich die Führung zum Verfassungsstein am Ufer des Hammersees, den die dankbare Belegschaft dem König anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der ersten bayerischen Verfassung gestiftet hatte - in ihr wurde immerhin die Leibeigenschaft offiziell abgeschafft. Vor wenigen Jahren haben die Hüttenwerksrentner des Eisenzeit-Vereins den Stein liebevoll restauriert und den Weg dorthin ausgeschildert.

Die Sonne hatte sich schon ziemlich gesenkt, es wurde Zeit für eine Gruselgeschichte. Oberverweser Fuhrmann berichtete von der sagenhaften Wasserfrau, die im See lebt und einst in einer stürmischen Nacht einem Brauerei-Knecht zum Verhängnis geworden sein soll. An der Weggabel auf dem Rückweg Richtung Ludwigsheide ging es furchterregend weiter: Weil der junge Hammerherr Kotz gut 30 Jahre nach der Zerstörung seines Hammers an der Stelle des heutigen Fischerhauses ein Hammerwerk errichten wollte, wo daraufhin 500 Jahre Eisenverhüttung stattfinden sollten, musste der große See aufgestaut werden. 

Nun ging das nicht nur zu Lasten der Schafweide. Ein kleiner Weiler namens Hadersdorf musste, auf Höhe des heutigen Anglerheimes, ebenfalls den Fluten weichen. Die erboste Schwarzfischerin (Ingrid Schieder) stellte auf dem Weg zur Kirche die Hammermeisterin und Gattin von Herrn Kotz (Mia Süß) sowie deren Tochter (Katharina Lutter), um sie mit wüsten Vorwürfen zu überschütten.

Weder dies noch die Ankündigung der Schwarzfischerin, die „Hoderer“ würden allesamt nach Bruck ziehen, um dort das „Hodererviertel“ zu gründen, fochten die edlen Damen an. Dass die Hoderin daraufhin ganz Bodenwöhr verfluchte, machte da schon deutlich mehr Eindruck, auch bei den Gästen.

Mit der königlich-bayerischen Ostbahn (Anschluss 1861) ging es weiter am Ufer entlang durch die Neuzeit, vorbei an Bruderkrieg und Reichsgründung, Weltkriegen und amerikanischer Besatzung. Die Renner des früheren 20. Jahrhunderts, Badewannen und Öfen, brachen absatzmäßig ein, die Direktoren der Bayerischen Hütten- und Salinenwerke versäumten es, in innovative Produktionsstraßen für Motorblöcke oder Maschinenguss zu investieren. Das Ende vom Lied: Die Schließung 1971, nach 700 Jahren Tradition. Bis 2009 dauerte es, das Trauma zu überwinden und sich in der Kulturreihe „Eisenzeit“ wieder dieser inhalts- und ruhmreichen Geschichte zu widmen.

Oberverweser Fuhrmann verabschiedete sich von der Mauer des alten Friedhofs herab - es war schon dunkel geworden - von seinen Besuchern. Einen Gruß sandte er nach Neunburg vorm Wald: Als die Bodenwöhrer Kirche (auf Höhe der heutigen Bushaltestelle vor Fischerhaus und heutigen Ortsdurchfahrt) 1953 abgerissen wurde, sei sein Skelett samt einem prächtigen Schachthut gefunden worden. Das Skelett brachten die Bodenwöhrer in besagtes Sammelgrab. Der Schachthut soll nach Neunburg verschwunden sein. „Sagt denen, ich will meinen Hut wiederhaben“, ließ sich der Oberverweser vernehmen und entfleuchte wieder Richtung stilles Grab durch die Dunkelheit… 

 

Gottesdienst für die Kleinsten
Einbruchsversuch am hellichten Nachmittag