Wenn einer jeden Tag woanders einen Scheck mit Fördermitteln überreicht, mache ihn das noch lange nicht zum Strategen, zitierte die Süddeutsche Zeitung dieser Tage Ministerpräsident Horst Seehofer sinngemäß. Wenn es einer aber so macht wie der von Seehofer hiermit angegriffene Finanz- und Hiematminister Dr. Markus Söder, dann steckt da schon Strategie dahinter. Und zwar eine ziemlich geniale. Darum wird Seehofer sich schwertun, seinen ungeliebten Thronprätendenten nach Berlin abzuschieben oder gar von der Thronfolge auszuschließen. Und: ja, ich weiß, dass wir auch in Bayern demokratisch wählen. Die Monarchie-Vergleiche ergeben sich aus der Jahrzehnte dauernden Erfahrung. Was macht also aus Söder einen Förderbescheid-werfenden Strategen? Dass er - vielleicht hat er es ja aus der Bibel - die Niedrigen erhebt und die Mächtigen duckt. Zumindest erzählt er das überzeugend. Im "ländlichen Raum".

Ich kann es auch unschwülstig ausdrücken: Jahrzehntelang waren die Landstriche außerhalb der Boomtowns München, Nürnberg und Regensburg nicht gerade die Empfänger der größten Wohltaten von der Staatsregierung. Der Zukunftsrat, der kurz vor Seehofers Amtsantritt noch die vollständige Austrocknung dieser Froschteiche forderte, um die Metropolen noch weiter zu stärken, war da nur die Krone auf dem Fass. Söder vergisst nie, dieses Bild vom ländlichen Raum zu erwähnen, das da früher in München dominierte - oder immer noch dominiert?

Das fällt schwer zu glauben - die Minister und sogar der Chef persönlich geben sich in diesen Wochen in der Oberpfalz die Klinke in die Hand. Ein Kollege von Ostbayern HD meinte neulich scherzhaft, das Kabinett solle weiterhin im Schloss Schwarzenfeld tagen, da würde sich der Freistaat einen haufen Fahrkosten sparen. Allgemeines Umdenken? Zufall?

Eher nicht. Wenn etwas in München angekommen ist - und das beweist nicht zuletzt Seehofers säuerlicher Kommentar gegenüber der SZ - dann ist es die Tatsache, dass der Finanzminister rechnen kann. Söder, in den Großstädten eher unbeliebt und gering geschätzt, hat erkannt, dass alle anderen miteinander "die Mehran" sind. Und dieses Mehrheitsverhältnis bildet sich auf die CSU-Delegierten ab, es bildet sich so letztendlich auch in der Fraktion ab. Dort genießt der Anwärter ebenfalls höchste Sympathien bei der - meist schweigenden, aber großen - Mehrheit derer, die nicht so oft im Rampenlicht stehen, aber das Gefühl haben, dass der Markus weiß, was er an ihnen hat. 

Und dazu ganz objektiv betrachtet: Ja, Söder ist derjenige, der sich seit langem am meisten um das flache Land schert. Seine Maßnahmen wirken auch - das sieht man an jeder Glasfaser-Baustelle, das sieht man an den wachsenden Up- und Download-Raten überall im Freistaat. Dazu kommt, dass er beim gerade auf dem Land weit verbreiteten konservativen Klientel als fescher Robin Hood auftreten kann, der von den anderen - er nennt Seehofer ja nie beim Namen, wenn er nicht unbedingt muss - niedrig gehalten wird. Er würde schon aufräumen mit der Bevorzugung von Flüchtlingen gegenüber den eingeborenen Rentnern, lautet der Subtext. Wenn, ja, wenn... dieses wenn geht immer im tosenden Applaus derer unter, die einen gesellschaftlichen Wandel durch die Zuwanderung fürchten.

Wenn die CSU in der Lage sein wird, den nächsten Ministerpräsidenten zu stellen, wird an Söder kein Weg vorbei führen. Wenn Söder nicht eine taktische Finesse ersinnt, die ihm zuvor ein Lehrjahr in Berlin als Parteichef doch noch erstrebenswert scheinen lässt, wird ihn auch niemand dazu zwingen können. Es stünde dann eher zu erwarten, dass es einem Ministerpräsidenten Söder egal wäre, wer "unter ihm Parteivorsitzender" an Mutti Merkels Katzentisch ist. Eine solche Position erreicht aber nur einer, der eben doch ein Stratege ist.