Irinas Venusbrüstchen

Die Leidenschaft wurde Irina Zacharias schon in die russische Wiege gelegt. „Der Vater hat schon alte Sorten gesammelt und gepflegt, als ich ein Teenager war!” erzählt sie, während sie liebevoll durch die Tomaten-Sträucher in ihrem Gewächshaus in Leonberg streicht.


„Diese hier hat er gerettet!”, erzählt sie und hält eine Rispe mit roten Früchten in der Hand. Die kleine Gärtnerei hat sich aus der Liebe zu Gemüse-Pflanzen entwickelt, aus der Neugier für neue und dem Wunsch, möglichst viele der alten Sorten zu erhalten. So wurde aus dem Hobby schon vor fast zehn Jahren eine wahre Berufung.
Inzwischen pilgern Naturfreunde regelrecht zum kleinen Einödhof bei Leonberg, dem Blattenhof. Nicht nur aus München oder Nürnberg, nein, auch aus dem Norden bei Hamburg und aus Österreich und der Schweiz kommen die Leute jedes Frühjahr, um Tomaten, Paprika, Chili, Kräuter, Gurken, Zucchini, Kürbisse und manches ausgefallene Gemüse als Jungpflanze für den eigenen Garten oder Balkon zu holen.


Sinnlicher Genuss
Verschiedenste Salat- und Blattgemüsesorten, Bohnen, Erbsen, Wurzelgemüse, Sonnenblumen, Kürbisse, Blumen, Kräuter und ganz besondere Minze-Pflanzen finden Besucher hier. Dazu Eingemachtes aus eigenem Anbau und vieles mehr. Und: Fast 1000 Sorten Tomatensamen! Vom fruchtig-gelben Zitronenriesen, den japanischen roten Trüffeln oder der Ananas Noire - einer Tomate wie von einem Maler geschaffen - bis zu den unglaublich fruchtig-süßen Venus Brüstchen. Hier ist der Geschmack ebenso verführerisch wie das kecke Äußere.


So manches leckere Früchtchen bekommt man bei den fast immer ausgebuchten Führungen zu kosten. Jede der kleinen Gaumenschmeichler präsentiert eine komplett andere Geschmacksrichtung: mal süß, mal sauer oder leicht mehlig. Der Genuss hat etwas Sinnliches. „Dazu gibt es unterschiedliche Formen und Farben - und sie alle schmecken nach mehr”, schwärmt Zacharias. Ihre Leidenschaft ist es vermutlich, was ihre Pflänzchen so sprießen lässt.

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Dabei war sie zunächst wenig begeistert, als sie als junges Mädchen daheim in Russland mit auf der Datscha helfen musste. „Wenn man im Winter, außer Kartoffeln, etwas auf dem Teller haben wollte, musste jeder mithelfen!”, erzählt sie heute lachend. Aus dem notgedrungenen Interesse der Eltern für das gesunde Gemüse wurde bald eine wahre Passion. „Erst kauften sie ein paar gelbe und braune Sorten dazu, dann musste jeder, der von weiter her kam, Samen mitbringen. Russland war damals ein Schatzkästchen für alte Sorten und so konnten wir einige bewahren!”, erzählt Irina.


Böse Überraschung
Als sie 1994 nach Deutschland kam und feststellen musste, dass die Tomaten in den Supermärkten nicht mehr viel mit den sonnnengereiften Früchten der Heimat zu tun hatten, wusste sie ihr eigenes Wissen um den Anbau zu schätzen. Mit einem kleinen Gewächshaus für 15 Pflanzen fing alles an - dann kam ein Folientunnel dazu und noch einer und noch einer...


Entgeizen und hochbinden
Jetzt haben die Zacharias sogar ein Stück vom Nachbarfeld dazu gekauft. „Schrecklich mit Stickstoff versaut wegen jahrelanger Mais-Monokultur - aber das wird schon!”, lächelt Irina. Sie hat ein sonniges Gemüt und strahlt viel Ruhe und Gelassenheit aus. Manchmal liegt Irina unter ihren Tomatensträuchern im Stroh und genießt die üppige Pracht, den selbst geschaffenen Garten Eden, um sich herum. Meist aber bedeutet die Arbeit auf dem Blatterhof, bis spät abends in den Gewächshäusern zu entgeizen (die Pflanze ausdünnen), zu formen und hochzubinden. Aber sie macht es gern. Immer, jeden Tag.
Irina ist inzwischen seit Jahren geschätztes Mitglied bei Arche Noah, einem Verein für Erhalt und Entwicklung der Kulturpflanzenvielfalt. Auch ihr Anliegen ist es, die Sortenvielfalt zu erhalten - gegen den Einheitsbrei, den man zu kaufen bekommt - und diese Vielfalt den Menschen wieder zugänglich zu machen.


„Triumph der Tomate”
So kam sie auch zu Erich Stekovics, dem „Kaiser der Paradeiser“, wie er in Österreich genannt wird, und zum Film „Triumph der Tomate”, der auch auf dem Blatterhof bei Irina gedreht wurde. „Der Geschmack ist die Sprache der Frucht, die Süße und Wärme des Sommers...alles steckt in dieser kleinen Frucht!” sagt der Tomatenanbauer.
Ebenso vielseitig wie die Tomatensorten ist das gelungene Werk für Gourmets und jeden, der Freude am Kochen und an den vielseitigen Früchten hat: „Man nehme eine rote und eine reife grüne Tomate, eine gelbe und eine orangefarbene, dazu noch weiße und dunkle, rosarote und ein paar gestreifte. Alles kleinschneiden und eine mehlige Frucht noch kurz in der Pfanne erwärmen: Schon ist der geschmackvollste Tomatensalat fertig.”


Dies ist nur eines von rund 90 leckeren Rezepten, zusammengetragen und ausgefeilt von der Tomatenexpertin Irina Zacharias und dem Regensburger Kochprofi Tom Rosenberger. Mit interessanten Pflanzenporträts und Tipps zum Anbau bietet das Kochbuch viel Wissen rund um die leckeren „Liebesfrüchte” - samt Warenkunde und Erläuterungen zu den Sorten und deren Geschmacksrichtungen. Auch Hinweise zu Pflege und Aufzucht der empfindlichen Stauden gibt es. „Tomaten. Meine Leidenschaft” gibt Einblicke - in die Welt Irinas und die der Tomaten.
„Tomaten. Meine Leidenschaft”, das Koch- und Sachbuch gibt es in Irinas Shop. Bis zum 18. September sind mittwochs, freitags, samstags und sonntags auch noch Plätze für die begehrten Führungen zu haben.

 

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