Regensburg. In einem überhitzten Mietmarkt gibt es immer wieder Vermieter, die daraus ihren Profit ziehen. Vergangenen Monat haben wir über ein „Wohnklo“ in Burgweinting berichtet, wo Mieten von 20 Euro und mehr pro Quadratmeter verlangt werden. Die Stadt Regensburg hätte Möglichkeiten, dagegen vorzugehen. Doch sie tut es nicht, analysiert Rechtsanwalt Otmar Spirk in seinem Gastbeitrag. TITELTHEMA Februar.

 

Gibt es Mietwucher in Regensburg? Und was wird gegebenenfalls dagegen unternommen? Wie viele Verfahren hat die Stadt in den Jahren 2015, 2016 und 2017 wegen eines Verstoßes gegen § 5 Wirtschaftsstrafrecht (Mietpreisüberhöhung)   eingeleitet? Wie viele Strafanzeigen wegen § 291 Strafgesetzbuch (Mietwucher) wurden durch die Stadt in diesen Jahren gestellt? Und mit welchem Ergebnis? Wir haben diese Fragen der Stadt Regensburg gestellt.

„Nichts bekannt"

Der Hintergrund: 2015 wurde Regensburg vom Freistaat Bayern offiziell zu einer Stadt mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ erklärt. Nach § 5 Wirtschaftsstrafrecht ist es eine Ordnungswidrigkeit, wenn eine Miete bei angespanntem Wohnungsmarkt mehr als 20 Prozent über dem Mietspiegel liegt. Die Stadt als zuständige Ordnungsbehörde muss solche Überschreitungen mit einer Geldstrafe ahnden. § 9 regelt zusätzlich, dass die unrechtmäßig erzielte Miete eingezogen werden kann. Die Straftat des „Mietwuchers“ liegt vor, wenn eine Miete unter Ausnutzung zum Beispiel einer Zwangslage des Mieters mehr als 50 Prozent über dem Mietspiegel liegt.

Die Stadt Regensburg teilt auf die Anfrage mit, dass ihr „in den vergangenen Jahren kein Verfahren wegen Mietpreiserhöhung nach dem Wirtschaftsstrafgesetz bekannt“ sei. „Ebenso sind keine Strafanzeigen bekannt, die wegen Mietwucher (§ 291 StGB) an die Staatsanwaltschaft abzugeben gewesen wären.“

Fälle gäbe es genug

Liest man beim zuständigen Amt weder die Lokalpresse oder sieht man nicht fern? Sonst hätte man beispielsweise am 9. Februar 2017 in der BR-Sendung „quer“ erfahren können, dass mitten in der Regensburger Altstadt fast 50 Bulgaren und Rumänen in einem baufälligen Haus zu völlig überteuerten Mieten leben mussten.

Zwar hat die Stadt diese Bruchbude im April 2017 dichtgemacht und einen Teil der Mieter schlicht auf die Straße gesetzt. Laut obiger Auskunft hat sie aber weder selbst Verfahren wegen überhöhter Miete eingeleitet, noch Strafanzeigen wegen Mietwuchers gegen den Vermieter bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Erstaunlich.

Der Freistaat macht Kasse

Ein anderes Beispiel: Im Oktober 2017 wurde bekannt, dass der Freistaat Bayern als Träger der Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber den sogenannten Fehlbelegern – anerkannten Flüchtlingen, die keine Wohnung finden – für das Wohnen auf kleinstem Raum neuerdings 287 Euro Miete in Rechnung stellt. Soviel muss eine einzelne Person zahlen, jede weitere Person 97 Euro zusätzlich.

Die Unterkünfte sind dabei – so die Richtlinie der Staatsregierung – auf zwölf Quadratmeter für eine einzelne Person angelegt. Für die in der Regel vorliegende Belegung mit mehreren Personen gibt es keine Quadratmeter-Vorgaben, so dass häufig mehrere Personen auf wenig mehr als zwölf Quadratmetern leben.

Diese „Fehlbelegung“ zahlt – solange der „Fehlbeleger“ keine eigene Wohnung gefunden hat – der Betroffene selbst, notfalls das Jobcenter oder das Sozialamt. Zuletzt wurden in der Stadt Regensburg im Oktober über 400 solcher "Fehlbeleger" bestätigt - Tendenz steigend.

Entsprechend geht die Mietabzocke in Richtung 100.000 Euro. Die Stadt wird über das Sozialamt direkt vom Freistaat abkassiert. Offenbar gibt es keine Anweisungen der Stadt an das Jobcenter, sich gegen die weit überhöhten Mieten zu wehren - obwohl die Stadt im Bereich der Mietverhältnisse die Weisungsbefugnis für die Behörde hätte.

Die Stadt muss die Zahlen kennen

Faktisch ist es unmöglich, dass der Stadt nicht bekannt ist, was es so alles an überhöhten Mieten bis Mietwucher in der Stadt gibt. Sie hat über das Sozialamt und über das Jobcenter, welches ein Gemeinschaftsbetrieb von Stadt und Bundesagentur für Arbeit ist, alle Mietverträge im unteren Vermietungsbereich in der Hand. Diese bräuchte sie nur ganz regulär auf eine überhöhte Miete zu prüfen, wenn sie ohnehin zwecks Bewilligung bearbeitet werden. Und dann könnte man sie an das zuständige Amt zur Anzeige weiterleiten.

 

 

Es ist verblüffend, dass die Geschäftsführerin des städtischen Jobcenters einerseits die Verweigerung der Zustimmung zum Umzug eines Hartz IV-Beziehers wegen Verstoßes gegen die Mietpreisbremse in der Süddeutschen Zeitung mit den Worten begründet, „Schließlich wollen wir ja Mietwucher verhindern“. Andererseits scheint es aber solchen Mietwucher dann überhaupt nicht zu geben. Zumindest sind der zuständigen Ordnungsbehörde – der Stadt Regensburg – keine solchen Anzeigen durch das Jobcenter bekannt.

Andere Städte, andere Jobcenter

Regensburg ist das bundesweit derzeit einzig bekannte Jobcenter, das ein für Mieter gedachtes Schutzgesetz gegen Wohnungssuchende anwendet und dies mit Mietwucher begründet. 

Dass es auch anders geht, zeigt zum Beispiel das Jobcenter Hamburg, wo nicht gegen Wohnungssuchende, sondern gegen Miethaie vorgegangen wird. 2016 hat das dortige Jobcenter in einem entsprechenden Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg 52.500 Euro Schadenersatz erstritten (AZ 316 S 81/15).