KAB: Ertug kritisiert TTIP-Verhandlungen

Es gehört zur Gdepflogenheit der KAB Regensburg-Land, immer wieder Gäste aus der Politik einzuladen, um sich mit den brennenden Problemen unserer Tage zu befassen. Bei der diesjährigen Begegnung war es der Abgeordnete des Europäischen Parlamentes (MdEP) Ismail Ertug von der SPD. Das Treffen stieß auf großes Interesse, über 30 Gäste aus den Gruppen der KAB von Landkreis und Stadt Regensburg kamen dazu am Freitagabend nach Zeitlarn.  Kreisvorsitzende Maria Beer machte als die zwei Schwerpunktthemen das Freihandelsabkommen TTIP und den nicht abreißen wollenden Strom von Flüchtlingen nach Deutschland aus.

Abgeordneter Ertug zeigte in einer kurzen Einleitung die Aufgaben des Europäischen Parlamentes auf, im dem Politiker aus 28 Nationen als direkt gewählte Vertreter ihrer Bürger arbeiten. Offen und oft auch hart würden Probleme diskutiert und  nach Lösungen zum Wohle der Bürger gesucht. Dies geschehe in einer Art, wie sie in der Geschichte und Vergangenheit Europas bisher nicht üblich gewesen sei. Zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP würde in zwei recht konträren Lagern argumentiert. Fest stehe, dass ein Handel zwischen den Staaten sehr bedeutsam sei, er habe jedoch auf einer fairen Basis stattzufinden.

Die Art und Weise des Vorgehens während der Verhandlungen stoße bei manchen Abgeordneten und besonders auch bei vielen Bürgern auf Kritik. Dass bei internationalen Abkommen die Parlamente der Staaten keine nationalen Veränderungsanträge einbringen können, werde als Entmachtung der Länderparlamente gesehen. Mit dem Rückhalt aus einer Unterschriftenliste von 3,4 Millionen Bürgern werden TTIP-Kritiker um eine verbrauchergerechte Gestaltung des Abkommens kämpfen.


Zur Frage nach den geheimen Verhandlungen meldete Ertug erhebliche Zweifel am Verfahren. Ein sehr kurzer Einblick in einen Berg von Akten, hohe Gemeinhaltungsstufen (Confidentials), nur Spezialisten besitzen das notwendige Sachwissen, Auswirkungen seien  nur schwer auszuloten, das schaffe eine verwirrende Situation. Auch die Konzentration auf Wachstum und Jobs als Ziele von TTIP sehe er mit Vorbehalt, da es unklar sei, wer Nutznießer dieser Bestrebungen sein würden. Am allerwenigsten wohl die Wirtschaft der Entwicklungsländer.


Das zweite Thema des Abends, „Flüchtlinge und Asyl“, überdeckt derzeit alles andere in der Politik. Aus Sicht der KAB führten die beiden Kreisvorsitzenden Beer und Gebhard an, sei es "grundsätzliche Christenpflicht", sich um seine Mitmenschen zu kümmern, auch bei all den gegenwärtigen Problemen. Ertug dankte allen, die sich engagierten, ganz besonders verdienten auch die Kirchen große Anerkennung. In einem nie dagewesenen Maße seien Menschen auf der Flucht. Wegen Bürgerkriegen, Naturkatastrophen, Hunger und Terror verlassen über 60 Millionen Menschen ihre Heimat, da ihnen dort die Lebensgrundlagen fehlten. Europa sei das Idealbild ihrer Erwartungen: eine demokratische Grundordnung, Sicherheit und Recht, wirtschaftlicher Wohlstand zögen einen Strom von Hoffnungslosen an. Dabei sei das Handeln der reichen Staaten "nicht schuldlos" an Fehlentwicklungen in der Dritten Welt. Exporte von landwirtschaftlichen Produkten, von Waffen und Industriegütern zerstörten die Wirtschaft der Entwicklungsländer ebenso wie die Ausbeutung der Ressourcen und der Ausverkauf von Grund und Boden.

An den Europaabgeordneten richtete sich die Frage, wie sich die Staaten der EU bei der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik ins Boot holen lassen. Die Angst der EU-Länder führe zu einer Entsolidarisierung innerhalb Europas, da Deutschland "das Problem ausgelöst" habe. Man befürchte einen politischen Rechtsruck, der auch in zurückliegenden Wahlen deutlich zu spüren war. In Deutschland sei bei manchen das Vertrauen in den Staat erschüttert, da der Staat die Situation nicht mehr zu beherrschen scheint. Gerade Frauen fühlten sich auch durch Vorfälle wie in Köln verunsichert.


Ismail Ertug stellte heraus, dass für ihn und die SPD nur eine europäische Lösung der Problematik ans Ziel führen kann. Um die „Wertegemeinschaft Europa“ einzufordern, müsse man notfalls auch Druck ausüben, etwa durch das Einfrieren von Strukturfördermitteln oder einen Entzug des Stimmrechtes eines EU-Landes. Schnelle und einfache Wege aus dieser Problematik gebe es aus seiner Sicht jedoch nicht. Auf lange Sicht hin müsse im Syrienkonflikt eine Lösung gefunden werden, um die Fluchtursache auszuschalten. Die Türkei könne die Flüchtlingsströme derzeit nur bremsen. In Deutschland müsse vor allem jungen Leuten eine Chance zu einer schnellen Integration geöffnet werden.


Abschließend dankten die beiden Kreisvorsitzenden  Ertug für die offene und sehr sachliche Darstellung beider Thematiken. Dem großen Kreis der Gäste zollten sie ihre Anerkennung für eine kritische, aber auch sehr von mitmenschlicher Verantwortung geprägten Sicht einer schwierigen Phase in der Geschichte des Landes. Viele Fragen mussten begreiflicherweise unbeantwortet bleiben, da die Probleme vielschichtig und nur über lange Zeiträume hinweg zu bewältigen sind.

 

 

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