Mit Schlafsack, Zelt und Dosenravioli

Mein Vater klopfte mir auf die Schulter, in der Rechten hatte er den Maßkrug in der Hand. Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn erstaunt an. Er streckte mir den Maßkrug entgegen und steckte mir in die rechte Hosentasche meiner kurzen "Ledernen" ein Fünzigpfennigstück. Ich wusste schon, ich brauchte ja nur gegenüber zum Bischofshof an die Gassenschänke zu gehen, zu klingeln und den Maßkrug auf den Vorsprung des kleinen Fensters zu stellen. Das "Fuchzgerl" gleich dazu und kurz darauf schiebt dann der Wirt die volle Maß in Richtung meines Kopfes. Ich konnte ja noch nicht soweit hinaufsehen, mit beiden Händen konnte ich aber den Krug nehmen und zu mir herunterziehen.

 

Der Maßkrug war schwer und mit einer feinen weißen Haube gekrönt, aber nicht mehr lange. Schon hatte ich mein Gesicht im Bierschaum und sog genüsslich daran. Das schmeckte vielleicht. Bis zum Bier kam ich nicht, das würde mein Vater merken.

Zuhause angekommen freute sich mein Vater schon auf das frisch gezapfte Bier und auf den darauf befindlichen Schaum. Schaum? Hier war kein Schaum mehr. Der war jetzt unten, so wollte ich es meinem Vater "weiß machen". Er war sehr ruhig und schmunzelte nur. Schließlich fuhren wir am nächsten Tag, meine Mutter, Vater und ich, in den Süden.

Das blecherne Geschepper des Weckers konnte mich um halb vier Uhr früh nicht mehr aufschrecken, ich konnte doch vor Aufregung sowieso nicht schlafen. Meine Mutter stand in der Küche und machte für die Fahrt die Brotzeit fertig. Mein Vater war in der gesamten Wohnung nicht zu sehen. Plötzlich ein lautes Geknatter ließ mich zum Fenster stürmen. Ich wusste, mein Papa hatte das Auto geholt und jetzt ging es los in Richtung Süden.

Eingeräumt hatte er das "Wäglein" bereits am Vortag, ich krabbelte nach Hinten und setzte mich auf Schlafsäcke, Zeltplanen und Decken. Vom Vater war vorher die Rückbank entfernt worden, damit alles Platz hatte. Der Beifahrersitz war für meine Mutter reserviert, deren Füße lagerten auf einem kleinen Säckchen Kartoffeln, die für die Verpflegung in der südlichen "Fremde" nötig waren. In der aufkommenden Dämmerung mit dem Fahrlicht einer Kommunionkerze starteten wir.

Erst ging es durch die schmalen Gassen Regensburgs. Wer noch nicht wach war, der hatte sicherlich am Tag zuvor zu viel ins Glas geschaut. Wir fuhren in den Urlaub, das sollten sie doch alle wissen.

Die Fahrt auf der Landstraße der aufgehenden Sonne entgegen war langweilig und ich schlief ein. Es musste schon eine lange Zeit vergangen sein, als ich aufwachte und ich befand mich mutterseelenalleine im Auto. In unmittelbarer Nähe hörte ich ein Lachen und die Stimme meines Vaters. Ich bog mich, wand mich aus der "Blechdose" mit Nähmaschinenmotor namens Goggomobil 250 und lief zu meinen Eltern, die mit anderen Leuten am Straßenrand zusammenstanden und sich unterhielten.

Das waren ebenfalls Regensburger - die aber bereits auf der Rückfahrt waren. Diese Geste war früher so üblich – dass man, wenn man sich mit gleichem Kennzeichen am Auto sah, anhielt und sich über den Stand vor Ort informierte. Es wurde über das Wetter, den See und natürlich über das Essen diskutiert. Nach einer Weile verabschiedete man sich und wir fuhren weiter. Vor uns und vor allem vor unserem Kleinwagen, lag der Brennerpass. Zwei Erwachsene und ein Kind, Zelt, Schlafsäcke und ein Sack Kartoffeln mussten mit knapp 14 PS erst mal den Berg hochgeschafft werden.

Eine gute Stunde verging und wir waren in Torbole am Nordufer des Gardasees angekommen. Mein Vater steuerte einen Campinplatz an, der am See lag, und wir bekamen an der Schranke einen Zettel mit einer Nummer ins Auto gereicht. Der Mann, italienisch sprechend, wies mit seinem ausgestreckten rechten Arm in die Richtung, wo der Platz zum Aufstellen unseres Zeltes sein sollte. Mein Vater legte hörbar deutlich den ersten Gang des nicht synchronisierten Getriebes des Zweitakters ein und wir "knatterten" los.

Der unter Weinreben im Schatten gelegene Platz befand sich in Sichtweite des Sees. Die an den Weinstöcken hängenden Trauben waren aber nicht zum Verzehr geeignet - das teilte man uns eindringlich beim Einfahren des Campingplatzes mit. Im Juli waren diese auch noch nicht reif.

Dann der erste Abend. Das Zelt stand und war eingeräumt, der "Wassergraben" - für den Fall eines Starkregens - war rundherum ausgehoben. Chianti gab es aus dem Fass, den hatte sich meine Mutter vom Kiosk am Eingang des Campingplatzes geholt. Auch die Ravioli aus der Dose, von zu Hause mitgebracht, garten auf einem kleinem Gaskocher in einem Aluminiumtopf. Das „original italienische Nudelgericht“ schmeckte gut! ...und so italienisch. Doch es fehlte etwas:

Das bayerische Bier des Bischofs in Regensburg war viele Kilometer weit entfernt. Doch Vater wusste, dass es auch in Italien Bier gab. Eine kurze Frage an meine Mutter, die sich bereits mit Wein versorgt hatte, bestätigte, dass sie im Campingplatz-Kiosk auch Bierflaschen gesehen hätte.

Nach dem Verspeisen der original italienschen Dosen-Ravioli machte sich Vater auf die Suche nach einem geeignet würdigen Getränk für einen Bayern. Im Kiosk fand er tatsächlich grüne Eineinhalb-Liter-Flaschen, auf denen "Birra" stand. Gut, gekühlt sah das wohl nicht aus - aber das Bier konnte man ja an einem Strick angebunden in den Gardasee geben und etwas kühlen. Gesagt, getan.

Mitgenommen hatte mein Vater natürlich seinen Bierkrug, das musste einfach sein. Nach einer Weile wurde dann mit einer kleinen Zeremonie - und unter Staunen einiger Camper und deren Kindern - die Flasche Bier wieder aus dem See gehievt. Etwas kühler war das Bier ja schon. Ab in den Krug und dann genießen, dachte sich Vater und holte sich aus dem Dreimannzelt den Flaschenöffner.

So schlecht sei das gar nicht, dass das Bier "seegekühlt", aber nicht ganz so kalt wäre, meinte er. Vater schenkte sich den Krug ein und wollte gerade so richtig in den Schaum "eintauchen"… da kam der Campingplatzbesitzer und wollte unsere Ausweise sehen. Ordnung musste schließlich auch in Italien sein, und Europa oder Union war damals noch nicht.

Als die Ausweise endlich ausgehändigt waren, machte sich mein Pa wieder an das Bier, diesmal aber ohne Schaum. Der war doch noch da gewesen, als er den Krug weggestellt hatte…? Meine Mutter meinte grinsend, das liege wohl an der besonderen Wärme Italiens - und ich sagte verschmitzt "...da Schaum is unt...". Franz Niebauer

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