VIDEO: Gunther Stangl, der „Storchenvater” von Nittenau

Unser Herrgott hat einen großen Tiergarten – der Stangl Gunther auch. Auf seiner Ranch auf dem Rastberg bei Nittenau, wo der Besucher ein herrliches Panorama auf die Stadt hinunter genießt, scharrt, kräht, pfeift, grunzt, gurrt und wiehert alles fröhlich durcheinander. Eine Mitbewohnerin, die dem Landschaftsgärtner, Jäger und Naturfreund ganz besonders ans Herz gewachsen ist, macht dagegen nur sehr wenig Radau. Die zweijährige Stochendame wird wohl ihr Leben lang hier verbringen – Sommer wie Winter.

 

Anmutig stakt die Störchin in der Voliere zwischen Pfauen, Tauben und manchem gefiederten Freund mehr umher, als sie uns zum Interview empfängt – rausbekommen haben wir nicht viel von ihr, schnell wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Lieblingsmenschen zu. Der hatte immerhin Futter dabei.

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Die Zweijährige kam in Nittenau zur Welt, ihre Eltern brüteten sie auf dem Haus des Gastes aus. Im vorletzten Herbst geschah das Unglück: Im Flug touchierte sie in den Regenauen zwischen Friedhof und Kläranlage eine Stromleitung. „Die Flügel sind so schwer verletzt, dass sie wohl nie wieder richtig fliegen können wird“, sagt Stangl. Als der Landschaftsgärtner den abgestürzten Jungvogel fand, war er schon vier Jahre lang der Storchenvater von Nittenau. Glück für Frau Adebar.

Im Störche-Retten hat Stangl seit sechs Jahren Übung. Damals gab es noch einen richtigen Winter mit jeder Menge Schnee. Trotzdem entschied sich der Nittenauer Storch damals aus Gründen, die nur er kennt, die aber vielleicht etwas mit dem Klimawandel zu tun haben, dass er sich den Flug nach Afrika sparen kann und lieber hier überwintern möchte. Leider hatte ihm vorher niemand gesagt, dass hier ab und zu noch geschlossene Schneedecken und beachtliche Schneehöhen auftreten können. Selbst wenn es ihm jemand verraten hätte – „was bitte“, so würde er sich wohl gedacht haben, „soll das sein, Schnee?“

Auch prächtige Pfauen gehören zu Stangls "Tiergarten"

Stangl und einige seiner Mitarbeiter vom Garten- und Landschaftsbau (GaLa), den es heuer seit 25 Jahren gibt, rücken bei solchen Wetterlagen zum Winterdienst aus. „Wir haben den Storch immer im Bereich des Bauhofs an der Bodensteiner Straße gesehen. Als die Schneedecke derart dicht war, haben wir gewusst, jetzt findet der nichts mehr.“ Sechs Tage, so schätzt der erfahrene Kleintierzüchter, und dann wäre es mit dem Storch aus gewesen. Also haben die Stangl-Winterdienstler für den Winterfrischler ein Stück Wiese leer geräumt, um ihm eine Chance zu verschaffen. Gleichzeitig war aber klar – das allein würde nicht reichen.

Und so kam es, dass Stangl ein neues Service-Fahrzeug erfand: Den Storchen-Imbisswagen. Ausgestattet mit Eintages-Küken, mit denen normalerweise Greifvögel gefüttert werden, und kleinen Fischen, suchte er in den folgenden Wochen regelmäßig seinen neuen Freund auf. Der erwies sich als schlauer Kerl und kam, sobald er den schwarzen Pick-Up nahen sah, fröhlich und aufgeregt herbei gestakt und klapperte dabei auch noch freundlich.

So begann das Nittenauer Wintermärchen. Seitdem blieben immer wieder Störche hier, statt im September/Oktober in wärmere Gefilde zu ziehen. Stangl baute auf seiner Ranch ebenfalls ein Storchennest, wo die Vögel ruhen können, wenn sie vorbei ziehen. Der Attraktivität des Storchen-Standorts tat sein Enagegement gut – seit Jahren ist im zentralen Horst hinter der Kirche eine rege Aktivität zu beobachten.

Und das invalide Mädel? Dem geht es zwischen rund 50 Tauben, Gänsen und Enten sichtlich gut. Im Sommer, wenn der Fuchs in Wald und Flur ausreichend Nahrung findet, ohne Stangls Hunden zu nahe kommen zu müssen, lebt sie frei und unbehindert auf der Ranch. Sie kann auch noch ab und an ein paar Meter weit flattern, aber bis Afrika würde es definitiv nicht mehr reiche. „Bedingt flugfähig“ nennt das Stangl.

Jetzt im Winter macht der Hunger den Fuchs verwegener – deshalb hat Stangl seine schwarz-weiße Lady zu den anderen Vögeln in die Voliere gesteckt. Die Störchin ist vital und aktiv, reagiert deutlich auf Ansprache, hat ein schönes Gefieder und scheint sich rundum wohl zu fühlen.

Seltene alte Schweinerasse.

Im letzten Sommer zeigte der Stroch auf dem Haus des Gastes – potentiell der Vater von Gunther Stangls Schützling – dass es ihm in der Stadt am Regen ebenfalls gut gefällt. Drei Junge bekam er mit seiner Partnerin und seit etlichen Jahren gab es zur normalen Zugzeit im Herbst einen Auszug der Störche Richtung Winterquartier.

Kurz vor Weihnachten jedoch kehrte das Männchen wieder zurück – allein. „Es kann sein, dass seine Partnerin bei einem Unfall ums Leben gekommen ist“, so Stangl. Die Hoffnung bleibt, dass Adebar stattdessen inzwischen so ein eingefleischter Nittenauer geworden ist, dass ihn nach sechs Wochen Urlaub im Süden einfach das Heimweh wieder gepackt hat.

Stangl jedenfalls scheint sich ein bisschen über den Wintergast zu freuen – auch wenn es das so nicht sagt. Er hat den Storch gesehen, als er bei ihm über die Ranch geflogen ist und seine potentielle Tochter klappernd begrüßt hat – die junge Dame hat das Klappern übrigens freudig erwidert.

Der Heimkehrer suchte sich im milden Dezember sein Fressen selbst – ab und zu ließ ihn Stangl aber einen Happen abstauben, wenn er sein Nachtquartier zwischen Haus des Gastes und Ranch hin und her wechselte. „Wenn eine Schnee- und Frostperiode kommt, soll er wissen, dass er hier etwas kriegt“, so Stangl. Muss der Storch voll gefüttert werden, braucht er bis zu 14 Küken und etliche Kleinfische am Tag. Das flugunfähige Weibchen frisst zehn bis zwölf Küken.

Stangl kümmert sich gerne um das Nittenauer „Wappentier“. Die jüngste Tochter Valerie ist sechs Jahre alt – kam also zu der Zeit auf die Welt, als Stangl seine Karriere als Storchenvater begann. „Kann schon sein, dass der Storch damals übers Haus geflogen ist“, schmunzelt der Tierfreund auf Nachfrage.

 

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