Sulzbach-Rosenberg. Mit ein wenig Pathos würde man sagen: Ein neuer Stern ist aufgegangen. Ein Brauer-Stern, ein sechszackiger. Damit würde man zwar den außergewöhnlich schmackhaften Bierspezialitäten die verdiente Ehre erweisen, die da im neuen Rosenberger Brauhaus fröhlich vor sich hin schäumen. Der Herr der Sude hat es mit schwülstigen Worten dagegen nicht so: Stephan Kalkbrenner (36) ist einer, der auf Pathos eher pfeift.

Ein gemütlicher, etwas brummiger Bräuer ist hier am Werk. Ein ruhiger Zeitgenosse, der sowohl den Widrigkeiten als auch den Freuden des Lebens mit einer sarkastischen Flapsigkeit und Oberpfalz atypischer Schlagfertigkeit begegnet - außer beim Brau-Vorgang. Während der alles entscheidenden, weihevollen Handlungen wie Maische kochen, Jod-Probe, läutern und Hopfenzugabe wandelt er sich in den vollständig fokussierten Kapitän. Er wird zum wortkargen Kommandanten eines Edelstahl schimmernden Raumschiffs, dessen Mission es ist, den Treibstoff zu produzieren für Reisen in unbekannte Welten und neue Dimensionen, die nie zuvor ein Mensch betreten hat.

Herr des Hopfens: Stephan Kalkbrenner und seine feine Sammlung.

Kurzum, eigentlich wäre Kalkbrenner ein Bierbrauer, wie ihn das nie gezeichnete Bilderbuch des originalen Altbayern darstellen müsste - auch figürlich kommt das ziemlich hin. Dabei hat der eingefleischte Rosenberger (was noch etwas heißt im Schatten der Maxhütten-Ruine!) etwas ganz anderes gelernt. Sein Meisterbrief im Metallbau-Handwerk ermöglicht es ihm nicht nur, den 2005 vom Vater übernommenen Betrieb in Rosenberg zu führen, sondern half ihm auch erheblich, sich sein eigenes Brauhaus zu schaffen. Es liegt idyllisch am Seilbahnweg am Rand einer schmucken Wohnsiedlung, eingebettet in Grün. Kalkbrenners Mutter Lydia hatte das Grundstück mit dem ehemals halbfertigen Keller einst gekauft, weil sie vom Fenster des eigenen Wohnhauses aus dort immer die Kornapfelbäume bewundert hatte.

Malz aus der heimischen Malzfabrik.

Wie kommt man darauf, in Zeiten sinkenden Bierabsatzes, mit einem eigenen Betrieb im Genick, eine Brauerei zu gründen? Wenn ihm ein Bier nicht schmeckt, dann hält Kalkbrenner mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. Er ist aber einer, der nicht lang meckert, sondern der es einfach selber besser machen möchte. 2001 hat er angefangen, wie alle Quereinsteiger, mit Mutters 25-Liter-Einkochtopf. Seitdem hat er natürlich seinem Hang zum Tüfteln und Optimieren freien Lauf gelassen.

Einmaischen.

Dazu kommt bei ihm die Faszination für die biochemischen Wunder - Malz-Zucker, Hefe-Stämme, Bitter-Einheiten, Alkohol-Gehalt, kombiniert mit den technischen Elementen. Altbayerisch brauen, das geht nämlich auch mit Hightech. Handwerk ist es in Kalkbrenners Dimensionen - ein Sud umfasst 250 Liter - trotz automatischer Temperatureinstellung und programmierbarer Maische-Rast immer noch durch und durch. Das fängt schon an der Malzmühle an, wo die aromatisch duftenden Körner geschrotet werden, und endet beim Zapfen am golden funkelnden Hahn.

Maische kochen.

Jod-Probe.

Die Würze....

 

Dass es Kalkbrenner auch ganz ohne Technik kann, hat ihn bei zahlreichen Festen und Veranstaltungen zu einem dicht umringten Artisten altbayerischer Lebensart werden lassen. Im Internet als „Stephan Brauvaricum Kalkbrenner“ bekannt, schlüpft er etwa beim Jubiläum der Brauerei Winkler in Amberg (19. - 21. Mai) oder beim Sulzbacher Altstadtfest (23. - 25. Juni) in die Rolle von Peter Still, dem Onkel des berühmten Pater Barnabas, der im 18. Jahrhundert in der Oberpfalz lebte und erster Braumeister in Bodenwöhr war.

Auf freiem Feld über offenem Feuer kocht „Peter Still“ dann seinen Sud, bis sich über den ganzen Festplatz eine unvergessliche Aromen-Mischung aus Holzrauch und Malz-Duft ausbreitet. Die Temperaturen für die Rast-Phasen sind - wie zu der Zeit, als das bayerische Reinheitsgebot entstand - Gefühlssache des Bräuers. Und da kann Kalkbrenner wahnsinnig feinfühlig sein. Das mag auch am guten Einfluss seiner Lebensgefährtin Juliane Wagner liegen, die aus Fensterbach, nicht wie irrtümlich im OK (Mai-Ausgabe) gedruckt aus Schwarzenfeld stammt, aber längst mit Haut und Haar in Rosenberg eingebürgert ist. Sie ist das wichtigste, bei weitem jedoch nicht das einzige Mitglied in Kalkbrenners Brau-Mannschaft.

Aus der ganzen Umgebung von Sulzbach-Rosenberg - sogar aus dem traditionell verfeindeten Amberg - stammen die Freunde aus der bierseligen Truppe, die Kalkbrenner wann immer möglich unterstützen. Und natürlich für eine ausgiebige, nie enden wollende Qualitätskontrolle sorgen. Wenn also Peter Still seinen (selbst gefertigten) 200-Liter-Kessel zwischen Mittelalterzelten und Landhausmode-Festbesuchern aufgebaut hat, sieht man ihn nachmittags mit seinen Brauknechten per Eimerkette den ebenfalls selbstgebauten Hochbehälter füllen, der zum Abläutern dient: Die gekochte Maische, bestehend aus Würze und Treber (dem Malz-Rest), muss in ihren flüssigen und ihren festen Bestandteil getrennt werden.

Zurück im Kessel, braucht die Würze einen Hitze-Kick. Sie ist beim Läutern abgekühlt. Um den Hopfen darin einzukochen, der für den edlen Biergeschmack sorgt und das Ganze haltbar macht, muss schnell wieder ein Temperatur-Stoß her. Den besorgt Peter Still mit einem Käfig voller Steine, die während des Läuterns im Feuer richtig Energie aufnehmen. Zwei starke Männer, die eine Stange durch den Käfig schieben und ihn in den Kessel senken, setzen dann den mittelalterlichen Tauchsieder in Gang. Eine Prozedur, bei der man darauf achten sollte, wie der Wind steht. Gar mancher hat mit nackerten Lederhosen-Wadeln in der heißen Kombination aus Holzrauch und heißem Würzedampf schon die Contenance verloren.

Jenseits dieser Ausflüge in eine andere Zeit hat Kalkbrenner sich aber den Formalien der Gegenwart zu stellen. Da die Anfragen von Vereinen und Firmen immer zahlreicher wurden, er möge für diese oder jene Gelegenheit eine möglichst außergewöhnliche Sorte einbrauen, musste sich der Metallbauer letztlich einen zweiten Gewerbeschein besorgen, um den Anforderungen der deutschen Bürokratie gerecht zu werden. Die Lebensmittelaufsicht schaute sodann sogleich vorbei in der Brauerei am Seilbahnweg und überzeugte sich, dass Anlagen und Hygiene dem strengen Standard hierzulande entsprechen.

Den ersten Auftritt als offizielles Brauhaus hatte Kalkbrenners neue „Firma“ beim St-Patricks-Day in der Rosenberger Kneipe „Gestern“, ein bezeichnender Name für ein Lokal im ehemaligen Zentralbüro der Maxhütte. Ein irisches Stout der Extraklasse musste her. Angesichts des tiefschwarzen „Roseness“, das mit fester, weißer Schaumkrone aus Kalkbrenners Kessel entströmte, wäre mancher keltische Druide wohl blass vor Neid geworden. Das Ganze hatte lediglich eine Schwäche im Detail: „Wir hatten bloß 90 Liter eingebraut, und die waren nach eineinhalb Stunden weg“, erinnert sich der Bräu. Der Vorteil dabei: mit rund 7,5 Prozent Alkohol und der Sämigkeit eines Irish Coffees hatte der edle Stoff bei den weit über hundert Gästen schon seinen Dienst getan - es war wohl die fröhlichste keltische Party, die in Rosenberg in den letzten 3000 Jahren gefeiert wurde.

Im Brauhaus selbst ruht der neue Sud soeben zum zweiten Mal. Ein leichtes, hell funkelndes Pilsener will Kalkbrenner diesmal machen. Er liebt die Freiheit, ausprobieren zu können, wonach ihm eben der Sinn steht. Die aktuelle Mischung aus Pilsener und Münchener Mal ist dabei jetzt nichts Außergewöhnliches. Anders verhält es sich da schon mit dem bernsteinfarbenen, obergärigen Alt, das in den langstieligen Tasting-Gläsern schäumt. Kalkbrenner und seine Freunde haben es sich im Garten auf der Garnitur aus Granit bequem gemacht, auch Vater Dietmar sitzt fröhlich dabei. Er ist sichtlich stolz auf die Leistung des Filius. Und das Alt schmeckt auch den Alten, wie einer der Freizeit-Philosophen in der Runde sinnig erklärt.

Wer sich selbst vom Geschmack und der Vielfalt in Kalkbrenners Kosmos überzeugen will, kann den Rosenberger Bräu per Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. kontaktieren.