Wie weit darf die Reproduktionsmedizin gehen?

Regensburg. Wenn der Kinderwunsch von Paaren nicht in Erfüllung geht, kann die Medizin bisweilen helfen. Neue Verfahren entstehen, die aber zugleich neue moralische, soziale und juristische Fragen aufwerfen. Damit beschäftigen sich Wissenschaftler*innen aus mehreren Ländern bei einer Klausurwoche von 19. bis 23. September 2022 am Institut für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung der OTH Regensburg. Titel der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Veranstaltung: „In-vitro-Gametogenese und artifizieller Uterus. Problemauslöser oder Problemlöser?"

Als Louise Brown 1978 das Licht der Welt erblickte, war ihre Geburt nicht eine unter vielen. Sie markierte einen fundamentalen Wandel menschlicher Fortpflanzungsmöglichkeiten: Brown war der erste in einer Petrischale – ‚in vitro' – gezeugte Mensch. Inzwischen werden die In-vitro-Fertilisation (IVF) und andere assistierte Reproduktionstechnologien (ART) in vielen Ländern routinemäßig eingesetzt. „Die IVF kann heute als gesellschaftlich akzeptiert gelten, doch es gibt nach wie vor mit ART verbundene normative Fragen, die nicht leicht zu beantworten sind, etwa: Wie soll damit umgegangen werden, dass genetische und soziale Elternschaft mittels IVF auseinanderfallen können? Wie soll mit regelmäßig erzeugten überzähligen Embryonen umgegangen werden? Sollen Embryonenspenden und Leihmutterschaften erlaubt sein?", sagt Prof. Dr. Karsten Weber, Ko-Leiter des Instituts für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung (IST) an der OTH Regensburg.

Menschliche Reproduktion bleibe trotz diverser biorechtlicher Regelungen ein moralisch, juristisch und sozial umkämpftes Feld, denn zum einen werden beispielsweise Schwangerschaftsabbrüche in manchen Ländern gerade wieder kriminalisiert, zum anderen aber werden neue Technologien zur Unterstützung der menschlichen Reproduktion entwickelt, die noch wesentlich weitreichendere Konsequenzen haben könnten: Derzeit werden die noch im Tierexperiment befindliche In-vitro-Gametogenese (IVG), bei der Keimzellen mit Hilfe von Stammzelltechnologie künstlich erzeugt werden, und Anwendungsvisionen artifizieller Uteri (AU) kontrovers diskutiert: die In-vitro-Gametogenese, weil sie ermöglicht, dass ein Kind prinzipiell von nur einer oder auch beliebig vielen Personen genetisch abstammt; der artifizielle Uterus, weil damit eine vollständig technische Schwangerschaft realisiert werden könnte.

„Es ist offensichtlich, dass diese neuen ART nicht nur unsere Konzepte von Elternschaft und Familie herausforderten, sondern das menschliche Selbstbild infrage stellten; bereits vor ihrem potenziellen Einsatz am Menschen diese ART interdisziplinär in den Blick zu nehmen, ist daher eine wissenschaftlich und gesellschaftlich relevante Aufgabe", so Karsten Weber.

Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Klausurwoche „In-vitro-Gametogenese (IVG) und artifizieller Uterus (AU)", die vom 19. bis zum 23. September 2022 am Institut für Sozialforschung und Technikfolgenabschätzung der OTH Regensburg stattfindet, soll sich dieser Aufgabe stellen. Alle Interessierten können die dazu stattfindenden Expert*innenvorträge via Zoom online verfolgen. Das genaue Programm sowie die Zugangsdaten sind auf der Website der OTH Regensburg (www.oth-regensburg.de) zu finden, ebenso ein Abstractband der Beiträge der Nachwuchswissenschaftler*innen, deren Projekte zur Zukunft der ART im Fokus der Klausurwoche stehen werden.

Link zum Vortragsprogramm:

https://www.oth-regensburg.de/fileadmin/media/fakultaeten/s/forschung_projekte/IST/Veranstaltungen/IVG-AU-PP_Einladung_Expertenvortraege.pdf


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