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Besuch in Proszowice, Polen – Gedenken aufrechterhalten

Nittenau. Unsere Redaktion erhielt folgende Pressemitteilung von Franz Probst: Zum dritten Mal besuchten Franz Probst (Altstadtrat der Nittenauer Grünen) und Barbara Dudkowski die polnische Kleinstadt Proszowice nahe Krakau, um einen Vortrag am Gymnasium für 2 Abschlussklassen über das Schicksal von Zygmunt Marzec zu halten.

Sie folgten damit der Einladung von Bürgermeister Grzegorz Cichy und von Dorota Krol, der Direktorin des dortigen Gymnasiums. 60 Schüler folgten in 2 Gruppen jeweils für eine Stunde. Im II. Weltkrieg arbeitete der polnische Zwangsarbeiter Zygmunt Marzec als Knecht auf einem Bauernhof in der Altgemeinde Bodenstein. Am 15. Juni 1942 denunzierte ihn ein anonymer Anrufer bei der Polizeistation Nittenau wegen angeblicher „Rassenschande" mit einer jungen deutschen Frau.

Zum 70. Jahrestag dieses Verbrechens bildete sich 2012 auf Initiative von Franz Probst ein Arbeitskreis, der an dem Hinrichtungsort ein Holzkreuz aufstellte, um einen Platz zum Gedenken zu schaffen. 2015 wurde das Kreuz durch einen Granitstein ersetzt, bei der Einweihung waren die Verwandten von Marzec dabei. Jedes Jahr im November wird bei einem Spaziergang zum Stein eine Gedenkveranstaltung durchgeführt.

In seinem Heimatdorf Opatkowice und im Umkreis von Proszowice wurde und wird dieses Gedenken durch die Nittenauer sehr hochgeachtet, für die Familie „ist damit die Würde von Zygmund Marzec wieder hergestellt". Zudem gibt es nun einen Platz zum Trauern.

Das Besuchsprogramm vom 05. und 06. Juni war nach 800 km Anfahrt dichtgedrängt. Zunächst wurden Franz Probst und Barbara Dudkowski, die Initiatorin der Vorträge am polnischem Gymnasium über die Aufarbeitung der Nittenauer Bürger der damaligen Greueltaten, am Vormittag von einem Reporter des Senders Radio Krakau zu diesem Thema interviewt. Er war zunächst verwundert, warum Deutsche sich in dieser heiklen Angelegenheit engagieren. Für ihn wie die meisten Polen haben „die Deutschen" 1939 – 1945 Schuld auf sich geladen, so dass „die Deutschen" dieses Thema am liebsten vergessen. Auf die Frage an Frau Dudkowski, warum ihr diese Arbeit mit der polnischen Schule so wichtig ist, antwortete sie: In Polen lernt man schon im Grundschulalter die deutsche Schuld des II. Weltkrieges kennen zu lernen. Was man an den Schulen wenig bis gar nicht lernt sind Versöhnungs- und Aufarbeitungsinitiativen der Deutschen. Als einer ehemaligen Lehrerin war und ist mir eine Herzensangelegenheit über die Arbeit des Kreises, um Franz Probst weiter zu erzählen. Am Ende konnte der Reporter das Engagement so wertschätzen, dass er im November Nittenau einen Besuch abstatten will um eine größere Radiosendung, die Polens weit ausgestrahlt werden soll, zu machen.

Abends gab es ein Essen mit Informationsaustausch mit dem Bürgermeister und der historischen Kommission der Stadt und den Verwandten von Zygmunt Marzec. Mit Fichtenberg im Schwarzwald hat Proszowice bereits eine Partnergemeinde in Deutschland. Bürgermeister Cichy erzählte, dass sein Vater auch Zwangsarbeiter in Deutschland im Schwarzwald war. Deshalb hat er auch ein persönliches Interesse an dieser Zeit und der Verarbeitung.

Auf Initiative des Bürgermeisters schaltete sich der polnische Generalkonsul aus München telefonisch dazu (beide studierten gemeinsam die Politikwissenschaften) und sprach eine Einladung in sein Konsulat an die Nittenauer aus. Gleichzeitig äußerte er den Wunsch nach Bodenstein zu kommen, um die Gedenkstelle anzuschauen.

Bei den von Barbara Dudkowski übersetzten Gesprächen erfuhr man, dass Proszowice gleich nach Kriegsbeginn sehr stark unter den Angriffen der Deutschen Wehrmacht gelitten hatte. Bei schweren Kämpfen am 7. auf 8. September 1939 wurde ein Viertel der Stadt zerstört und die Kirche beschädigt, zahlreiche polnische Soldaten und Einwohner kamen ums Leben. Damals machte die jüdische Bevölkerung fast ein Drittel der Gemeinde aus, fast alle wurden verschleppt in Vernichtungslager. Wenige Juden konnten von der Bevölkerung versteckt werden und entgingen so dem Tod.

Heute hat sich die 6000 Einwohnerstadt sehr gut entwickelt und verfügt nun über einen neu hergerichteten Stadtplatz neben dem sanierten Kulturzentrum und ein Schwimmbad. Sportlich liegt der Schwerpunkt bei zahlreichen Fußballvereinen. Man ist offen für Kontakte nach Deutschland und Europa.

Tags darauf waren Franz Probst und Barbara Dudkowski in eine Stadtratssitzung geladen, wo sie eine halbe Stunde einen Vortrag zum Thema des Gedenkens, der Demokratie als Garant der Rechtsstaatlichkeit und nicht zuletzt über solche Zeichen wie der Stein in Bodenstein, die Deutschen und Polen die Chance geben zu wahren Europäer zu werden, hielten. Hier gab es lobende Worte und Applaus für die Delegation.

Im Gymnasium konnten zwei Abschlussklassen nicht nur über den grausamen Schicksaal von Zygmunt Marzec erfahren, sondern vor allem über die Aufarbeitung der Vorfahrenschuld der heute lebenden Generation. Die Schüler waren von dem Geschilderten und den eindrucksvollen Bildern so betroffen, dass sogar eine Schülerin fragte, ob Franz Probst nicht ein Buch über „diese sehr aufbauende Geschichte" schreiben will. Der Vortrag wurde von Barbara Dudkowski und einer Deutschlehrerin übersetzt.

Franz Probst verabschiedete sich von den Schülern mit den Worten: „was können wir aus dieser Geschichte lernen? Wir können lernen, wie wichtig es ist, in einem funktionierenden Rechtsstaat leben zu dürfen mit einer unabhängigen Rechtsprechung, auch wenn wir manchmal über sie lästern. Und wir lernen, das jede Generation für diese Freiheit wieder eintreten muss."

Viele Schüler zeigten sich dann interessiert an einem Besuch des Gedenksteins und an Kontakten mit Jugendlichen aus Nittenau. Hierfür stehen auf polnischer Seite inzwischen Fördermittel zur Verfügung. Zum Abschluss übergab Franz Probst ein Präsent aus Nittenau an die Schulleitung.

Im Juli 2022 war Bürgermeister Grzegorz Cichy mit einer Delegation bereits zu Besuch in Nittenau, wo es auch zur Kontaktaufnahme mit Bürgermeister Benjamin Boml und Hans Hien, dem Vorsitzenden des Partnerschaftsvereins gekommen war. Diese sind nun eingeladen zum Gurkenfest in Proszowice Ende Juli 2023. Wie es weiter geht mit den Kontakten wird die Zukunft zeigen, ob es zu Kontakte zwischen den Gymnasien kommt und weiteren Jugendbegegnungen oder ob sogar eine Städtepartnerschaft möglich ist.

Autoren: Franz Probst, Ex-Stadtrat der GRÜNEN, Initiator des Gedenksteins, Barbara Dudkowski, Initiatorin des Kontakts zum Gymnasium Proszowice.

Bodenstein, Nittenau

Quelle dieser Information

Wir haben von diesem Verbrechen eines Unrechtsstaats in unserem Wohnort aus dem Buch „Verbrechen Liebe" von Thomas Muggenthaler (Edition Lichtung, 2010) erfahren. Der Radiojournalist hat Akten des Staatsarchivs Amberg ausgewertet und ist auf 22 Fälle gestoßen, in denen die GESTAPO Regensburg zwischen 1941 und 1943 Polen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes hinrichten hat lassen, weil sie sich mit deutschen Frauen angefreundet hatten.

Bisherige Chronologie der Kontakte

2010 Erscheinen des Buches „Verbrechen Liebe" von Thomas Muggentahler

2012 Errichtung eines Holzkreuzes als Mahnmal im Wald beim Richtberg

2015 Feierliche Einweihung eines Granitsteins mit Verwandten und Landrat Ebeling

2016 Besuch in Opatkowice bei der Familie Paraniak, den Verwandten von Zygmunt Marzec.

2017 Erster Vortrag am Gymnasium von Proszowice aus der Initiative von Barbara Dudkowski, www.communis-seminare.de

2018 Zweiter Vortrag am Gymnasium von Proszowice

2018 Besuch von polnischen Abiturienten in Nittenau mit Unterbringung bei Familien

2020 / 21 Corona – Zwangspause

2022 Besuch von Bürgermeister Grzegorz Cichy mit einer Delegation in Nittenau

2023 Offizieller Empfang in Proszowice und dritter Vortrag am Gymnasium

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